EFI: Forschungs- und Innovationspolitik schlagkräftiger machen

Friederike Welter, Christoph M. Schmidt, Carolin Häussler, Uwe Cantner, Olaf Scholz, Irene Bertschek, Guido Bünstorf (v.l.)
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat Ende Februar 2025 in Berlin ihr neues Jahresgutachten an die Bundesregierung übergeben. Darin betont sie, dass die Forschungs- und Innovationspolitik in der neuen Legislaturperiode schlagkräftiger werden muss. „In den letzten Jahren ist die Forschungs- und Innovationspolitik auf der Stelle getreten“, sagt der Vorsitzende der EFI, Professor Uwe Cantner von der Universität Jena. „Verantwortlich dafür waren Mängel bei der Priorisierung von Themen, bei der ressortübergreifenden Koordinierung von Politik und bei der Umsetzung von Maßnahmen. So kann es nicht weitergehen.“
Es stehe viel auf dem Spiel. „Die aktuelle konjunkturelle Schwäche geht mit einer tiefgreifenden strukturellen Schwäche der deutschen Wirtschaft einher“, betont Cantner. Den Auswirkungen des durch Digitalisierung und Dekarbonisierung getriebenen transformativen Wandels stehen in unzureichendem Maße Innovationen und neue Geschäftsmodelle gegenüber.
Die Unternehmen in Deutschland haben massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Sie müssen wieder innovativer werden, damit sich die langfristigen Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft verbessern. „Nur ein ökonomisch starkes Deutschland wird finanziell in der Lage sein, zeitnah große gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Cantner. „Es gilt, Wirtschaft und Gesellschaft auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung auszurichten, den demografischen Wandel zu begleiten, das Bildungssystem umzubauen und nicht zuletzt eine starke militärische Verteidigungsfähigkeit aufzubauen.“
Forschungs- und Innovationspolitik ins Zentrum des Regierungshandelns rücken
Die EFI sieht deshalb die Notwendigkeit, in der kommenden Legislaturperiode die Forschungs- und Innovationspolitik ins Zentrum des Regierungshandelns zu rücken und ihr über eine Neuausrichtung von Governance-Strukturen, inhaltliche Fokussierung und höhere prozessuale Effizienz zu mehr Schlagkraft zu verhelfen. Die Zuständigkeiten für die Forschungs- und Innovationspolitik sollten in einem Bundesministerium für Forschung, Innovation und Technologie (BMFIT) gebündelt werden. Derzeit liegen sie zum Teil im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zum Teil im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Dies ist nicht sachgerecht, denn Forschung und Entwicklung, Wissens- und Technologietransfer sowie Innovationsaktivitäten in Start-ups und etablierten Unternehmen sind keine linear aufeinanderfolgenden Phasen, sondern durch vielfältige Rückkopplungsprozesse miteinander verbunden. Die EFI plädiert deshalb dafür, Forschungs- und Innovationsprozesse mit einem abgestimmten Instrumentenmix aus einer Hand politisch zu begleiten.
Die EFI erneuert darüber hinaus ihre Empfehlung aus dem Jahr 2021, ein eigenes Digitalministerium zu schaffen. „Die Digitalisierung in Deutschland verläuft noch immer zu schleppend“, konstatiert Professorin Irene Bertschek vom ZEW Mannheim und stellvertretende Vorsitzende der EFI und ergänzt: „Wir brauchen ein Digitalministerium, das die großen Linien der digitalen Transformation vorzeichnet.“ Zentrale Aufgaben des Digitalministeriums wären es, spezifische Strategien zu entwickeln, sie mit geeigneten Maßnahmenbündeln zu untersetzen und diese auf Basis von Roadmaps und Meilensteinplänen konsequent und koordinierend umzusetzen.
Große Haushaltsbudgets und Fokussierung im Förderspektrum
Die große Bedeutung, die der Forschungs- und Innovationspolitik in der kommenden Legislaturperiode zukommt, sollte zwar im Bundeshaushalt abgebildet werden. Es ist jedoch nicht immer notwendig, dafür große Haushaltsbudgets zu bewegen. Vielmehr sollten verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation in den Blick genommen werden. Ebenso sind Fokussierungen im Förderspektrum vorzunehmen. „Wenn die nächste Bundesregierung in der Forschungs- und Innovationspolitik etwas bewegen will, wird sie nicht umhinkommen, Prioritäten zu setzen,“ so Cantner. Hierfür muss sie die Wirkungen und Kosten von Maßnahmen abzuschätzen. „Fragen der Treffsicherheit und der Effizienz von politischen Maßnahmen stoßen in der Forschungs- und Innovationspolitik noch auf zu wenig Interesse,“ sagt Cantner.
AIF betont Bedeutung der Gemeinschaftsforschung
Die AIF als Netzwerk für Forschung und Innovation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung der erfolgreichen Gemeinschaftsforschung hervor. Sie wird über die zahlreichen industrienahen AIF-Forschungsvereinigungen, die nahezu alle Branchen abdecken, mit der Kooperation von Unternehmen und Forschungseinrichtungen realisiert. Der Wissenstransfer, der hier konkret in der angewandten Forschung durchgesetzt wird, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor und Katalysator für die Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen und damit der gesamten Wirtschaft. Deshalb müssten, laut AIF, insbesondere Forschungsförderprogramme wie die Industrielle Gemeinschaftsforschung oder das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand zukunftsweisend mit mehr Mitteln ausgestattet werden. Sie sind ein Garant, um Start-ups, mittelständische oder auch große Industrieunternehmen zu Forschungsaktivitäten, die relativ zeitnah in wirkungsvolle Innovationen münden, zu motovieren.
Link zum EFI-Jahresgutachten 2025
Link zum Video zur Übergabe des EFI-Jahresgutachtens 2025 an Bundeskanzler Olaf Scholz (ca. 11 min)
Foto: © EFI, Linda Köhler-Sandring