Der Werkstoff Stahl prägt nahezu alle Branchen der deutschen Wirtschaft und ist im Alltag unverzichtbar, auch der private Konsum ist „stahlintensiv“: Medizin- und Lebensmitteltechnik, Bauwesen, natürlich die Automobilindustrie oder Werkzeugherstellung bis hin zur Verpackungsindustrie sind ohne das langlebige Metall undenkbar.
„Erfolgreiche Forschungsarbeit hat einen wesentlichen Anteil am aktuell umfassenden Transformationsprozess unserer Wirtschaft. Jetzt sind die besten Ideen gefordert, um die Weltmarktfähigkeit der deutschen Stahlindustrie zu erhalten und Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, sagte Rainer Salomon, Geschäftsführer Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V. - FOSTA, am 25. Mai 2022 bei einem Round Table-Gespräch mit weiteren Experten der Stahl- und Eisenforschung, darunter Dr. Stefanie Brockmann, Geschäftsführerin der VDEh-Gesellschaft zur Förderung der Eisenforschung mbH, Sebastian Schiweck, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Feuerverzinken e.V., und Gregor Machura, Geschäftsführer beim Deutschen Stahlbau-Verband DSTV e.V.
Ohne Innovationen keine Wettbewerbsfähigkeit
Thomas Jarzombek, forschungs- und bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Gast der Runde, unterstützt die Forderung der Experten, im „Land der Ingenieure“ noch mehr Wert auf die anwendungsorientierte Forschung zu legen und sagte: „Ohne Innovationen verliert man, auch in klassischen Industrien, die Wettbewerbsfähigkeit. Das war ein wichtiger Termin für mich in meinem Wahlkreis Düsseldorf. Die Politik muss verstehen, was die Industrie für die Transformation braucht und dass hierbei eben oft auch die Bürokratie im Weg steht."
„Es muss den Technikern mehr Raum und Mitsprache bei der Transformation gegeben werden, nur so können wir gemeinsam den Wandel gestalten“, erläuterte Brockmann und betonte, dass es auch um ein besseres Image der Stahl- und Eisenindustrie gehen müsse: „Denn die Stahlindustrie steht vor einem Generationswechsel und Nachwuchskräfte werden dringend benötigt." Schließlich seien es Menschen, die die Transformation gestalten, diesen Wandel als Herausforderung ansehen und Mut zum Handeln haben müssten. „Wir brauchen unbedingt beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren“, forderte Brockmann und wies abschließend auf die Bedeutung der Normung von deutschen Stahlprodukten in Richtung Weltmarktfähigkeit hin: „Normen mit den darin getroffenen Festlegungen und Vereinbarungen schaffen eine wichtige Voraussetzung für die Verfügbarkeit und Austauschbarkeit der Erzeugnisse und erleichtern den freien Warenverkehr. Die Markteinführung von CO2-armen Stahlerzeugnissen könnten durch entsprechende Normen wirkungsvoll unterstützt werden."
Die Stahlindustrie steht am Beginn der zentralen industriellen Wertschöpfungsketten und versorgt die wichtigsten Industriebereiche mit dem Werkstoff, der wesentlicher Bestandteil für Infrastruktur und Gesellschaft ist. Bis spätestens 2050 soll die Produktion von Stahl in Deutschland und Europa klimaneutral erfolgen. Das umzusetzen kostet nach derzeitigen Berechnungen rund 30 Milliarden Euro. Stahlforschung hebt ein enormes Potential für die notwendige Ressourceneffizienz und CO2-Einsparung. Sie arbeitet an neuen Prozessen, insbesondere auf Basis von Wasserstoff, um den Kohlendioxidausstoß deutlich zu reduzieren. Anwendungsorientierte Innovationen aus dem Mittelstand, unter anderem zum Einsatz von grünem Wasserstoff, die auch über die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) entwickelt werden, spielen rund um die Stahlherstellung und -anwendung eine große Rolle. „Wir müssen mehr mit Stahl bauen. Denn es geht nicht nur um das Erreichen der Klimaziele; es geht auch um Nachhaltigkeit, Recycling, Kreislaufwirtschaft – und auch um unseren Wohlstand“, erklärte Gregor Machura vom Stahlbau-Verband.
Forschungsvorhaben sind wirtschaftliche und soziale Zukunftsinvestitionen
Etwa vier Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in stahlintensiven Branchen. In Anbetracht der Folgen der Corona- und geopolitischen Krisen, die einen Einbruch in der Nachfrage von deutschem Stahl sowie eine enorme Energiekostensteigerung mit sich bringen, seien diese Industriebereiche am stärksten getroffen. Machura machte deutlich: „Ohne Stahl geht in Deutschland nichts. Die Branche braucht deshalb Energiesicherheit. Nicht nur kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland sind inzwischen existenzbedroht. Unsere Forschungsvorhaben in Richtung Energiereduzierung und Dekarbonisierung sind wirtschaftlich und auch sozial in die Zukunft investiert."
Innerhalb der Transformationsprozesse der deutschen Wirtschaft komme, laut Schiweck, auch der Feuerverzinkungsindustrie eine Schlüsselposition zu. „Feuerverzinkter Stahl ist ein perfekter Werkstoff für das zirkuläre und nachhaltige Bauen und entspricht in idealer Weise dem kreislaufwirtschaftlichen Klimaschutz. Die Innovationen auf diesem Gebiet zu unterstützen, lohnt sich für alle. Feuerverzinkter Stahl ist zum Beispiel für den Brückenbau geeignet und schützt Brücken wartungsfrei für 100 Jahre“, betonte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Feuerverzinken. Er brachte zudem einen Industriestrompreis für die nächsten fünf bis zehn Jahre in die Diskussion ein und sprach sich für Planungssicherheit in Energieversorgung und Energiepreis für die Unternehmen aus.
Der FOSTA-Geschäftsführer Rainer Salomon plädierte leidenschaftlich dafür, der Reindustrialisierung durch Forschung entgegenzuwirken und Abhängigkeiten zu reduzieren: „Die IGF, um die uns andere Länder beneiden, ermöglicht forschungsaffinen Unternehmen den Brückenschlag zur Wissenschaft. So können wir die Innovationskraft, die Wettbewerbs- und Weltmarktfähigkeit von Haupt- bis Zulieferindustrie stärken und den Industriestandort mitten in Europa erhalten." Im Jahr 2021 stellte das Bundeswirtschaftsministerium für die IGF rund 200 Millionen Euro für herausragende Forschungsprojekte und die Netzwerkbildung zwischen mittelständischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereit.
„Stahl hilft, den Wohlstand in Deutschland zu sichern und ist Träger unserer Wirtschaft. Das Forschungsengagement von mittelständischen Unternehmen auf diesem Gebiet ist zukunftsweisend. Und deshalb bin ich für einen Ausbau der transferorientierten Programme, bei denen sich die Industrie direkt einbringt“, erklärte Thomas Jarzombek, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Ausschuss Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und Mitglied im Ausschuss für Digitales. Seit vergangenem Jahr ist Jarzombek darüber hinaus Mitglied im Bundesvorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) und seit 2022 im Bundesvorstand der CDU Deutschlands. In ihrer Regierungsarbeit bis 2021 aber auch weiterhin aus der aktuellen Opposition heraus werte die CDU die Stahlindustrie immer als Schlüsselindustrie für ganz Deutschland und insbesondere am hiesigen Standort in Nordrhein-Westfalen, hob Jarzombek hervor. (frd)